Die Freuden des Alters

Last updated on Juni 17, 2021

„So meine Lieben herzlich willkommen zu unserem heutigen Treffen. Lasst uns unserem geliebten Vater und seiner Weitsicht danken. Gott sei seiner Seele gnädig.“ Ehrfurchtsvoll blicken die drei alten Damen auf Flüggens „Erbschleicher“ und erheben ihre Gläser.
„Lieber Papa, wir danken dir, dass du uns die Augen geöffnet hast für unsere Feinde. Uns ein Vermögen hinterlassen hast, um das Alter zu genießen. Und den Mut gegeben hast, das eine mit dem anderen zu verbinden. Stößchen.“
„Elfriede, warum müssen wir uns im Keller treffen? Oben ist es doch viel gemütlicher mit deinen Plüschtieren.“
„Wegen Ernesto. Er schnüffelt rum. Ich möchte ihm mit dem Bild keine Gelegenheit bieten, mich zu erpressen. Du weißt ja, es gilt als verschollen.“
„Um den, hätten wir uns schon lange kümmern sollen Elfriede. Ich gebe ja zu, er ist jung und hübsch. Und zu neugierig.“
„Mach dir keine Sorgen, Gertrud. So lange er versucht, mich zu Tode zu vögeln, darf er bleiben. Je öfter ich mir dabei an die Brust greife und stöhne, desto mehr strengt er sich an“, antwortet Elfriede zufrieden.
„Elfriede“, ruft sie „du schon wieder. Schämst du dich denn nicht? Ich meine, du bist ja nicht mehr die Jüngste. Und na ja, dein Körper ist auch nicht mehr der frischeste.“
Ihr versagt die Stimme.
„Was ist denn mit meinem Körper? Für meine 86 Jahre habe ich mich gut gehalten. Ernesto sagt auch, dass es keine Falte an meinem Körper gibt, für die ich mich schämen müsste.“
„Und was ist denn mit deinem Karl-Heinz, Ute“ kontert sie.
„Ach, Karl-Heinz. Wir machen Spaziergänge im Mondschein. Er schenkt mir Blumen. Er möchte meine Finanzen einsehen.“ Ute macht eine bedeutungsvolle Pause.
„Aha“, meldet sich Gertrud zu Wort.
„Erinnert ihr euch noch an Herbert? Das fing auch so an. Wo haben wir den eigentlich begraben? Mein Gedächtnis wird immer schlechter.“ Mit kummervollem Blick greift sich Gertrud an den Kopf. „Alter kann wirklich eine Last sein.“
„Du bist eben keine 90 mehr, Gertrud“, sagt Elfriede und tätschelt ihrer Schwester aufmunternd auf die Schulter.
„Ja eben, mir wird langsam alles zu viel. Irgendwann bringt mich wirklich noch mal einer ins Grab.
„Das lassen wir nicht zu, Gertrud,“ sagt Ute, „mach dir keine Sorgen.“
„So, was machen wir mit Karl-Heinz? Pilzsuppe? Lasst uns abstimmen.“
Drei Hände heben sich.
„Dann ist das geklärt“, sagt Elfriede. „Hiermit erkläre ich die heutige Sitzung für beendet.


Drei-Wort-Geschichten (Erbschleicher, Keller, Plüschtier)

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