Eine Nacht am See

Last updated on Juni 6, 2021

„Hey, gib mir mal die Tüte rüber“.  
Nachdem ich noch einen tiefen Zug genommen habe, reiche ich Stefan den Joint und falle dabei fast aus meinem Liegestuhl.  
„Ist das ein geiler Stoff, Alter“, sagt er ziemlich undeutlich, „woher haste den denn?“ 
„Aus der Ernte vom letzten Jahr. Die mit den vielen Läusen.“ 
Angeekelt hält Stefan den Joint weit von sich weg. 
„Alter rauch ich hier Läuse oder was. Das ist voll eklig.“ 
Ich schmeiße mich lachend auf meinem Stuhl hin und her. 
„Ne, Opa mir ein Insektizid oder wie das heißt gegeben. Und Schwupps, mit einer ausladenden Handbewegung fege ich die Bierflaschen vom Tisch, sind die Läuse weg. Hab den Rest dann auch noch drauf gesprüht, zur Sicherheit, weißte.“ 
„Dein Opa kennt sich aus mit Hanf?“ 
„Spinnst du? Der kennt nur Tomaten und so ein Zeug. Und Läuse.“ 
„Trotzdem nett dein Opa, wegen dem Läusizid und so.“ 
„Opa ist super“. 
Schweigend widmen wir uns der nächsten Tüte. Hin und wieder steht einer von uns auf zum Pinkeln. Was sich zunehmend schwieriger gestaltet. Als ich von seinem letzten Gang ans Gebüsch zurückkomme, hat Stefan sich aufgesetzt und starrt andächtig in die Ferne.  
„Ey Mann, ich schwöre, ich habe noch nie einen so schönen See gesehen.“  
Ich starre in die gleiche Richtung in die Dunkelheit.  
„Mein Opa ist Angler. Wir könnten angeln. Haste Bock?“ 
„Klar Mann.“ 
Schwerfällig setze ich mich in Bewegung. Nach einer gefühlten Ewigkeit komm ich schließlich mit den Angeln wieder bei Stefan an. Der hat in der Zwischenzeit für jeden von uns eine weitere Tüte gebaut.  
„Da bist du ja wieder. Gib her, die Angel.“ 
Entspannt werfen wir unsere Angeln aus und rauchen unsere Joints. 
Als die Dämmerung sich ankündigt, beschließen wir erst mal eine Runde zu pennen und dann am nächsten Tag zusammen mit meinem Opa die Fische zu grillen. 
Als Dank, dass wir die Nacht an seinem Wochenendhaus verbringen dürfen. 
Kurz nacheinander fallen wir in tiefen Schlaf. 
„Was ist denn hier los?“ 
Die Stimme meines Opas dringt unangenehm laut in meine Ohren. Er hört sich wütend an. Vorsichtig öffne ich die Augen. Stefan neben mir schläft immer noch selig mit seiner Angel im Arm. 
„Seid ihr wahnsinnig. Meine schönen Kois. Alle tot.“ 
Dunkel erinnere ich mich, dass wir uns gestern Abend an Opas Gartenteich gesetzt hatten, um die Fische zu beobachten.  
Seufzend schließe ich wieder die Augen. Das wird ein langer Tag werden. 


Drei-Wort-Geschichten (Insektizid, Angler, Wochenendhaus)

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